Wo liegt der Unterschied zwischen Ubuntu, Debian und Gentoo?
Das ist eine nicht leicht zu beantwortende Frage. Am Besten teile ich die Frage mal in zwei Parts, dann wird's einfacher zu beantworten.
Zum einen hast Du Distributionen, die auf Binärpaketen (Ubuntu und Debian) basieren und zum anderen hast Du Gentoo, was auf den Quellcodes basiert. Das sind zunächst zwei verschiedene Sachen.
Debian und Ubuntu lassen sich besser vergleichen, weshalb ich an dem Punkt anfange:
Debian ist mit eine der ältesten (neben Slackware, SuSE und RedHat) Distributionen.
Aktuelle Version ist Etch 4.0r3. Was Debian auszeichnet sind:
· Der Debian Gesellschaftsvertrag und die DFSG (Debian Free Software Guidelines), welche sicherstellen soll, daß Debian stets frei ist und bleibt und daß in jedem Falle freier Software der Vorzug gegeben wird. Das heißt beispielsweise nicht, daß man Adobe's Flash nicht installieren kann. Allerdings ist es nicht im Main-Repo zu finden. Oder die Etablierung der Iceweasel/Icedove/Iceape-Pakete als
freie Alternative (ohne Branding) zur Mozilla-Suite.
· Debian ist äußerst auf SIcherheit bedacht (weshalb Debian auch gern im Server-Bereich genommen wird). Securityfixes gibt's nicht nur für aktuelle sondern auch für ältere Pakete (was u.a. ein Kritikpunkt im Streit mit der Mozilla Foundation war)
· Apt(itude) (als Frontend zu DPKG) als Paketverwaltung
Ist neben RPM eines der am weitesten verbreiteten Paketformate unter Linux.
Die Entwicklung ist in 5 Stadien eingeteilt:
1) OldStable - Da findest Du sozusagen die alte, i.e. Vorgängerversion zur aktuellen Debianversion (Sarge)
2) Stable - Da gibts dann Etch zu finden
3) Testing - Enthält die Vorabversion zur kommenden Stable (Lenny)
4) Unstable - Da gibt's alle Paktete, die schon recht gut laufen und noch für Testing gehärtet werden (bugfixing, scurityfixing etc.)
5) Experimental - Wo du alles findest was irgendwie lauffähig ist und Eingang in Debian finden soll.
Das Problem bei Debian für den 08/15-Desktopanwender (vor Etch) war die Installation, die keine GUI zur Verfügung stellte und einiges an Kenntnissen über die Hardware voraussetze. Das hat sich seit Etch ein wenig geändert (hier hat wohl der "Einfluss" von Ubuntu sein übriges getan). Ein "Nachteil", der immer noch besteht ist, daß die Pakete aus Stable für den oben angesprochenen Nutzerkreis einfach zu alt sind. Alternativ gibt es die Möglichkeit sein System aus den Testing/Unstable-Quellen zu speisen.
Oder man nutzt gleich Sidux. Sidux unternimmt (ganz erfolgreich) den Versuch, den Unstable-Zweig von Debian zu einem brauchbaren Desktop-System auszubauen.
Ein sekundäres Problem bei Debian ist, daß es bisweilen "mal ein wenig länger dauert", bis ein neues Stable-System erschienen ist. Dafür ist die Zahl der Bugs minimal.
Ein dazu relativer Jungspund ist Ubuntu. 2004 wurde Warty Warthog der Linuxgemeinde präsentiert.
Im Gegensatz zu Debian gibt es einen festen Releasezyklus von zwei Versionen pro Jahr (x.04 und x.10) - Debian will demnächst auch eine Zwischenversion ("Etch an a half") anbieten, um ein wenig mit der Entwicklung mitzuhalten. Aktuell ist Gutsy Gibbon und wird im April von Hardy Heron abgelöst.
Mit dem Releaszyklus folgt man in etwa dem von GNOME einem freien Desktop-Projekt(aus dem gtk-Toolkit entwickelt). Vorherrschend ist unter Ubuntu der GNOME-Desktop. Zwar gibt es auch Kubuntu -die KDEvariante- allerdings ist es nicht die beste KDE-Umsetzung unter Linux. Daneben gibt es noch einige andere *buntus wie Edubuntu (für Schulen), Xubuntu (mit XCFE als Standardoberfläche), Ubuntu Studio (auf Multimedia getrimmt), gobuntu (ausschließlich bestehend aus freier Software) etc.
Der Unterbau ist im wesentlichen gleich - nur gibt es verschiedene Schwerpunkte (andere Desktopoberfläche oder Anpassung des Kernels an Multimediabedürfnisse etc.)
Technisch gesehen baut Ubuntu auf Debian auf. Genutzt wird auch hier das Debian-Paketformat (.deb) und Aptitude. Zu Beginn eines Release-Zyklus werden die Pakete mit Debian Unstable abgeglichen; anschließend findet im großen und ganzen eine eigenständige Entwicklung statt. Die Veränderungen werden dem Debian-Projekt als Diffs (Dateien, die die Unterschiede auszeichnen) zur Verfügung gestellt - was den Vorwurf, Ubuntu bediene sich ausschließlich, ins Leere laufen läßt. Jedoch sind Ubuntu-Pakete meist nicht binärkompatibel zu den entsprechenden Debianversionen.
Im Gegensatz zu Debian gibt es deshalb recht aktuelle Pakete - einzig die Philosophie Debians, innerhalb eines Releasezyklus' ausschließlich Securityfixes herauszubringen wird beibehalten; d.h. Gimp 2.4 wurde erst mit Erscheinen von Gutsy in die Repos aufgenommen.
Auch scheut man nicht den Umgang mit Closed Source Produkten oder gar kommerziellen Angeboten. So ist es beispielsweise unter Ubuntu möglich "Parallels" aus einem kommerziell ausgerichteten Repo zu installieren, was eine nahtlose Einbindung bspw. von Windows möglich macht (Parallels ist auf dem Mac recht erfolgreich).
Ubuntu wird Anfängern vorallem deshalb empfohlen, weil es eine Live-CD hat und sich leicht installieren läßt. Auch der ungeübte Windowsumsteiger kann binnen 12 Minuten ein komplettes Linux-System aufsetzen. Mitgeliefert wird (der Philosophie Ubuntus entsprechend) ein funktionierendes Sudo-System(was bei Debian erst eingerichtet werden muß): Im Gegensatz zu anderen Linuxsystemen ist ein Zugriff auf einen vorhandenen Root-Account nicht möglich - allerdings problemlos zu aktivieren. Die komplette Systemverwaltung läßt sich für Einzelbefehle mittels "sudo" machen, bzw. "sudo -i" für eine quasi-rootshell. Über Sinn und Unsinn läßt sich streiten.
Generell wird dem Benutzer viel an Vorkonfiguration angeboten, die einen Einstieg in Linux vereinfachen.
Technisch interessant ist beispielsweise die Entwicklung, welche seit Gutsy Gibbon eingeschlagen wurde, den Umgang mit dem X-Server zu vereinfachen. Ein erster Schritt war der sog, "BulletProof-X", eine Variante, die Versucht, einen Failsafemodus zu implementieren, so daß in jedem Falle gewährleistet sein soll, daß der X-Server startet. Ein nächster Schritt ist, unter Hardy die sog. "xorg.conf" generell zu umgehen.
Dem gegenüber steht nun das Gentoo-Projekt, 2002 von Daniel Robbins gegründet.
Das Gentoo-Projekt wählt im Gegenzug zu Debian und Ubuntu einen ganz anderen Ansatz:
Statt vorgefertigte (kompilierte) Pakete und vorallem vorkonfigurierte Pakte bereitzustellen, werden die entsprechenden Pakete vor Ort, also auf dem Zielsystem zusammengesetzt (kompiliert). Somit kann unterschiedliche Software an individuelle Bedürfnisse und die jeweilige Infrastruktur des Zielsystems angepaßt, portiert werden (daher auch "Portage" in Anlehnung an das aus BSD bekannte "Ports"-System).
Der größte Vorteil ist zugleich auch der größte Nachteil des Systems: es braucht Zeit, ein Gentoo-System aufzusetzen und an die jeweiligen Bedürfnisse anzupassen. Während man wie oben geschildert in 12 Minuten ein fertiges Ubuntu auf dem Rechner hat, dauert es mit Gentoo ungleich länger.
Wenn man allerdings die Leistungsfähigkeit moderner Desktopsysteme sieht, wo quasi ein Zweiprozessor-System als Standard angesehen wird, fällt dieser Punkt nicht mehr so arg ins Gewicht wie vor Jahren, wo man auch schon einmal Tage mit der Installation verbringen konnte.
Darüberhinaus gibt es auch die Möglichkeit, wenn man mehrere Rechner vernetzt hat, die Kompilierzeit durch paralleles Kompilieren auf mehreren Rechnern und Prozessoren zugleich erheblich zu verkürzen.
Herzstück von Gentoo ist Portage - die "Paketverwaltung" unter Gentoo. Und als "As im Ärmel" beinhaltet Portage das sog. USE-FLAG-System. Bei den USE_FLAGS handelt es sich um nichts anderes als die konsequente Umsetzung der Kompilieroptionen, die die jeweilige Software mit sich bringt.
Während also bei binärpaketorientierten Distributionen die Entscheidung darüber, welche Flags sinnvoll und welche nicht sinnvoll sind, der Maintainer der jeweiligen Distribution trifft, ist hier der Nutzer selbst gefragt. In kleinerm Umfang gibt es vergleichbares bspw. bei Archlinux: mittels des ABS (ArchBuildSystems) eigene Pakete -ähnlich Gentoo- zu konfigurieren und bauen.
Wenn Du ein KDE-System hast kannst Du Deinem System mitteilen, es solle die Unterstützung für den GNOME-Desktop außen vor lassen. Oder Du kannst Firefox mit oder ohne Branding kompilieren.
Bei Gentoo hast Du die volle Kontrolle - aber auch die volle Verantwortung!
Das macht es für Einsteiger, die noch nie ein Linux-System benutzt haben schwer.
Als Zitterpartie für Einsteiger gestaltet sich die Konfiguration eines eigenen Kernels - den man selbstredend auch an seine Bedürfnisse anpassen darf/muß. Aber es gibt auch ein nettes Tool namens "Genkernel", welches schon gewisse Einstellungen von Haus aus mit sich bringt, so daß die erste Kernelkonfiguration nicht ganz so dramatisch wird. IMHO ist es sinnvoll, sich mit Genkernel einen funktionsfähigen Kernel zu bauen und peu á peu daran "herumzuspielen".
Ein weiterer Vorteil ist, daß es sich bei Gentoo nicht wie bei Ubuntu bzw. Debian um ein versionsgebundenes System handelt, sondern um ein versionsloses, stets aktuelles System ("RollingRelease"), d.h. es gibt lediglich die Versionsnummern der aktuell verwendeten Software aber nicht die Notwendigkeit von einem Stand der Software in einen anderen zu wechseln ("DistributionUpgrade"). Ein solches "Upgrade" findet gleichsam mit jedem "Update" statt.
Da die installierte Software immer vor Ort auf das vorhandene System portiert wird, ist bspw. das Problem von kollidierenden Bibliotheksversionen (da zwar Ubuntu .debs benutzt, kann es unter Debian bei der Verwendung von Ubuntu-Paketen zu derartigen Kollisonen kommen) äußerst gering. Wenn Probleme zwischen einzelnen Paketen (Ebuilds) auftauchen, sind sie eng begrenzt (Paket A kann mit Bibliothek B nicht zusammenarbeiten).
So ist es problemlos möglich, verschiedenartige Software nebeneinander laufen zu haben.
Während man sich bei Debian auf einen (maximal zwei) Zweige wie Testing/Unstable festlegen muß, kann man unter Gentoo komplette Mischsysteme nutzen. Beispielsweise lege ich wert auf aktuelle Multimediapakete (MPlayer, Inkscape, GIMP), weshalb ich die Software und die entsprechenden Pakete aus dem "Testing"-Zweig von Gentoo verwende, während ich andere, essentielle Systemkomponenten aus dem "Stable-Zweig" nehme. (Gentoo unterscheidet zwischen den normalen Paketen und Masked bzw. HardMasked die analog zu Testing und Experimental zu verstehen sind).
Neben dem Hauptzweig (Portage) gibt es unter Gentoo noch die Möglichkeit, sein System durch Overlays zu erweitern. In einem Overlay gibt es beispielsweise aktuelle Software, die noch keinen Eingang in Portage gefunden hat (Sunrise) oder Entwicklerversionen (Mozilla) etc.
Der übliche Weg, der für den Anfänger
steinig sein kann, führt über ein Minimalsystem (Stage3) auf der Kommandozeile zu einem funktionierenden Grundsystem mit eigenem Kernel. Anschließend werden ein X-Server und die Desktop-Oberfläche gebaut. Alles entsprechend den Bedürfnissen des Benutzers. So ist auch gewährleistet, daß stets nur die Pakete installiert werden, die erwünscht sind. Während man bei Ubuntu ein System vorinstalliert bekommt (Ausnahme die Alternate-Installation), welches ggf. "bereinigt" werden muß.
Ich hoffe, ich habe Dir in etwa Deine Frage beantworten können